«Unser Ziel ist es, die Pendler nach Basel zurück­zuholen»

John Häfelfinger, Präsident der Basler Banken­vereinigung, will den regionalen Finanz­platz in seiner Bedeutung stärken.

Lesen Sie hier das ganze Interview mit der Redaktion von PrimeNews: https://primenews.ch/articles/2019/01/unser-ziel-ist-es-die-pendler-nach-basel-zurueckzuholen

Das gibt es ja nicht: Ausgerechnet der Mann, der bei der Basellandschaftlichen Kantonalbank (BLKB) den Krawattenzwang abgeschafft hat, erscheint zum Redaktionsgespräch im Prime News-Büro: mit einer Krawatte!In der allgemeinen Heiterkeit, die über den witzigen Umstand ausbricht, geht John Häfelfingers Begründung völlig unter. Das Kleider-Detail spielt ja aber auch gar keine Rolle.Schliesslich ist der BLKB-CEO an diesem Tag bei uns zu Besuch, um zum Jahresanfang in die Zukunft zu blicken: Wie lange gibt es noch Bargeld? Vor welchen Umwälzungen steht die Bankenwelt im digitalen Zeitalter? Und was bedeutet das für den Finanzplatz Basel? Es sind Themen, die Häfelfinger als Präsident der Basler Bankenvereinigung (gewählt im April 2019) ganz besonders umtreiben.Im ausführlichen Interview zeichnet sich denn auch rasch ab, dass sich die Organisation mit ihren 26 angeschlossenen Banken ein klares Ziele gesetzt hat: Die 4’000 Bankfachleute, welche täglich von Basel nach Zürich pendeln, sollen zurückgeholt und damit der Basler Finanzplatz gestärkt werden.

Beginnen wir das Interview mit einem Ärgernis: Immer mehr Banken verteuern die Gebühren für den Bargeld­bezug am Schalter. Das verärgert die Kunden und ist schlecht fürs Image. Hat denn Bargeld keine Zukunft mehr?

Der Trend ist eindeutig: In den letzten fünf Jahren hat sich der Bargeldbezug am Schalter in der Schweiz um einen Drittel reduziert. Auch Bankautomaten sind immer weniger gefragt. Gleichzeitig haben die Banken hohe Kosten. Eine Vollkostenrechnung zeigt, dass pro Bargeldbezug rund zehn Franken anfallen. Es liegt auf der Hand, dass die Banken unter dem Blickwinkel der Effizienz auf diese Situation reagieren.

Bargeld ist die letzte Freiheit!

Völlig einverstanden. Transaktionen mit der Kreditkarte hinterlassen immer eine Spur. Und auch Kryptowährungen wie Bitcoin sind nicht vollends anonym. Für mich kommt noch ein weiterer Aspekt hinzu: Die Ausbildung. Physisches Geld hilft jungen Menschen, den Umgang mit ihren Finanzen zu lernen. Aber eben: Es ist ein Fakt, dass Bargeld seit Jahren stark rückläufig ist.

Gibt es eine Übereinkunft unter den Banken, wie der Umgang mit dem Bargeld in Zukunft gehand­habt wird?

Nein, da schaut jedes Finanzinstitut für sich. Für die Kantonalbanken ist der Fall klar: Der zentrale Leistungsauftrag lautet, den Geldverkehr sicherzustellen.

Sie sind Präsident der Basler Banken­vereinigung. Wie sehr schmerzt es, auch mit Blick auf die Geschichte, im Schatten von Zürich zu stehen?

Ich halte fest, dass die Banken und Finanzdienstleister auf Platz Basel 8’500 Angestellte in rund 6’300 Vollzeitstellen beschäftigen. Der Arbeitsmarkt ist hochinteressant. Rund 4’000 Bankfachleute aus der Region pendeln allerdings täglich – meist mit dem Zug – nach Zürich. Diese Gruppe wollen wir nach Basel zurückholen. Das Potential ist riesig.

Wie soll das gelingen?

Die Basler Bankenvereinigung wird dieses Jahr eine Online-Plattform entwickeln, auf der alle offenen Stellen von Banken in Basel aufgeführt werden. Die Jobplattform werden wir speziell auch bei den angesprochenen Pendlern bewerben und so auf die vielseitigen und attraktiven Karrieremöglichkeiten der Banken in Basel aufmerksam machen. Diese werden gerne unterschätzt.

Wie kommen Sie zu dieser Einschätzung?

Ich erlaube mir diese Aussage zu machen, weil ich in meiner früheren, mehr global ausgerichteten Funktion bei der Credit Suisse direkte Vergleiche zwischen verschiedenen Standorten auf der ganzen Welt ziehen konnte. In Zürich ist das Lohnniveau gewiss höher, dafür herrscht ein hoher Konkurrenzdruck. Oftmals kommen dort auch Bewerber aus dem Ausland zum Zug. Anders in Basel, wo in der Regel auf das eigene Personal gesetzt wird. Der Arbeitsmarkt ist weniger hart umkämpft, verfügt aber dennoch über hochqualifizierte Mitarbeiter und vielversprechende Talente. Auch dies ist eine Erkenntnis aus meiner Zeit bei der CS.

Die Schweizer Finanz­institute bieten inzwischen fast alle die gleichen Dienst­leistungen an. Wie wichtig ist da noch ein eigenständiger Banken­platz für die regionale Wirtschaft?

Täuschen Sie sich nicht, das ist extrem wichtig! Ich halte es für entscheidend, dass der Standort Basel mit seiner starken Wirtschaft über eigene Finanzkompetenz verfügt. Grossunternehmen vermögen sich vielleicht selber zu organisieren, nicht so aber die kleineren und mittleren Unternehmen. Es braucht Banken, die das lokale Gewerbe verstehen und es unterstützen können, ansonsten leidet der gesamte Wirtschaftsraum.

Trotzdem: Ist es nicht Wunsch­denken, gegen die Macht am Parade­platz anzu­kommen?

Schauen Sie, es gibt im Banking zahlreiche Dienstleistungen, die wir in Basel unabhängig von Zürich anbieten könnten. Das muss das Ziel sein. Die Basler Banken verfügen über die Kraft, diesen Wandel herbeizuführen. Es geht bei diesen Bemühungen im Übrigen nicht nur um bankentypische Jobs, sondern auch um andere Segmente wie zum Beispiel die ganze IT-Industrie. Hier dominieren IBM oder Google, beide mit Sitz in Zürich. Um vor Ort über das nötige Knowhow zu verfügen, sollten diese Branchen auch in Basel angesiedelt werden.

Reden wir über Stil: Die Berner Kantonal­bank hat kürzlich bekanntgeben, dass sich die Mit­arbeiter künftig unter­einander duzen. Auch die Krawatten­pflicht fällt weg. Diese Lockerung bei den Kleider­vorschriften hatten Sie als neuer BLKB-Chef ebenfalls eingeführt. Welche Hoffnungen sind mit solchen Mass­nahmen verbunden?

Die Bankenbranche war lange Zeit sehr traditionell und geprägt von starken Hierarchien. Gesellschaftlich hat jedoch ein Umdenken stattgefunden. Moderne Unternehmen arbeiten nicht mehr in Hierarchien, sondern in Netzwerken. Experten verschiedener Bereiche sitzen gemeinsam am Tisch und erarbeiten Lösungen. Führungsfunktion und Fachfunktion sind inzwischen gleichgestellt. Diesen Schritt gehen nun auch die Banken. Die lockere Umgebung am Arbeitsplatz ist ein wichtiger Teil davon. Dazu gehören aber auch die Optionen, Teilzeit oder im Home-Office arbeiten zu können.

Wie kommen diese Veränderungen beim Banken­personal an?

Ich kann hier nur für die BLKB sprechen. Das Fazit ist bislang äusserst positiv: In den letzten zwei Jahren haben sich die Spontanbewerbungen verdreifacht. Das zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Was auffällt: Die Banken in Basel suchen sehr stark den Bezug zur Basler Identität. Gerade in den Social Media-Kanälen wird das Stadt­leben zelebriert und versucht, ein Zugehörig­keits­gefühl zu schaffen. Reicht es nicht mehr, nüchtern eine Reihe von Finanz­dienst­leistungen anzubieten?

Es geht bei dieser Frage stark um den Ruf einer Bank. In den Neunzigerjahren ist es zu Auswüchsen gekommen. Hohe Boni, zwielichtige Geschäfte, versteckte Vermögen: Das waren prägende Schlagzeilen, die dem Ansehen des Schweizer Finanzplatzes insgesamt sehr geschadet haben. Deshalb ist es wichtig zu betonen, wofür Banken eigentlich stehen und welche Aufgaben sie ausüben. Viele Banken geben sich inzwischen wieder einen gesellschaftlichen Auftrag. Es ist ihnen ein Anliegen, in irgendeiner Form soziale Verantwortung wahrzunehmen. Das drückt sich zum Beispiel in der von Ihnen erwähnten Verbundenheit zu einem Ort aus.

Wenn man sich die aktuellen Beschattungs-Skandale bei der Credit Suisse zu Gemüte führt, dürfte die Image­korrektur vorerst zum Scheitern verurteilt sein.

Das ist in der Tat ein Thema, mit dem wir uns auseinandersetzen müssen. Ich halte aber fest: Solche Vorkommnisse sind Einzelfälle und nicht repräsentativ. Gerade in Basel ist man im Bankensektor auf einen guten Ruf bedacht und legt Wert auf ein freundschaftliches Verhältnis zu den Kunden. Zürich ist grösser und die Beziehung deutlich anonymer.

Die ganze Welt spricht von Nach­haltigkeit. Wo stehen da die Basler Banken?

In Basel gibt es ein klares Bekenntnis zur Nachhaltigkeit. Die konkrete Umsetzung ist jedoch unterschiedlich. Mehrere Banken haben zum Beispiel bekanntgegeben, keine Kohleproduktionen mehr zu unterstützen. Bei der BLKB haben wir 2014 damit begonnen, das Anlagegeschäft auf sogenannte ESG-Kriterien (ethisch, ökologisch, sozial; Anm. d. Red.) umzustellen. Wir machen nichts, was diesen Kriterien widerspricht. Man muss sich aber über die Konsequenzen im Klaren sein: Nur schon die Ankündigung der neuen Standards führte 2014 dazu, dass wir Kunden verloren haben.

Nachhaltigkeit ist also schlecht fürs Geschäft?

Wenn heute ein Erdölkonzern an die Börse geht, werden die Aktien genau wie in früheren Jahren noch immer massiv überzeichnet. Das ist eine Realität. Ich glaube, es handelt sich um einen laufenden Prozess, bei dem sich die Standards allmählich vereinheitlichen. So lange sich in der Kette immer noch ein Anbieter findet, der die Finanzierung eines Geschäfts übernimmt, wird es seine Zeit dauern. Zudem wird unter Nachhaltigkeit fast ausschliesslich ein stärkeres Bewusstsein für Ökologie verstanden. Ich bin der Meinung, der Begriff sollte breiter definiert werden.

Was heisst das konkret?

Nachhaltigkeit bezieht sich zum Beispiel auch auf den Umgang mit den Angestellten. So organisieren viele Basler Banken und auch die Basler Bankenvereinigung selbst jährlich Volunteering Days für die Bankangestellten der Region. Dabei erhalten einerseits die Mitarbeitenden einen wertvollen Einblick in eine bankenuntypische Organisation und gleichzeitig können wir als Finanzinstitute soziale Institutionen unterstützen. Beispielsweise organisierte die Basler Bankenvereinigung 2019 zwei  Volunteering Days im Tierheim an der Birs. Solche Engagements kommen auf allen Seiten gut an.

Zum Schluss ein Blick in die Zukunft: Wie trete ich in fünf Jahren mit einer Bank in Kontakt? Braucht es über­haupt noch Filialen? Werde ich bis dahin nicht gemütlich vom Sofa per Webcam mit dem Kunden­betreuer meine Anliegen besprechen können?

Das Zauberwort heisst «Multichannel». Als Banken müssen wir in der Lage sein, auf allen Kanälen mit den Kunden kommunizieren zu können – über den Computer, das Smartphone oder klassisch bei einem Meeting in der Filiale. Wir müssen in allen Bereichen hochfahren und Investitionen tätigen. Die Erfahrung zeigt, dass je komplexer ein Geschäft ist, desto mehr der persönliche Kontakt gewünscht wird.

Seit 2017 CEO der BLKB

John Häfelfinger wurde 1971 geboren und hat italenisch-schweizerische Wurzeln. Seine berufliche Laufbahn begann er mit einer Bankenlehre, danach absolvierte er die Ausbildung zum Betriebswirt HFW und machte das Diplom an der Swiss Banking School. Später stieg der Bürger von Gelterkinden und Basel bei der Credit Suisse die Karriereleiter hoch. Nach zehn Jahren in verschiedenen Führungsfunktionen wurde er 2017 zum CEO der Basellandschaftlichen Kantonalbank ernannt. Im April 2019 übernahm er zudem das Präsidium der Bankenvereinigung Basel. Häfelfinger ist verheiratet und Vater zweier Kinder. (red.)