Lehrlingsmisere: Schulen in der Kritik

Berufslehre Wirtschaftsverbände sind unzufrieden mit Lehranstalten - nehmen aber auch Schüler in die Pflicht.

Basler Lehrlinge, das lässt sich schon lange nicht mehr leugnen, geniessen einen miserablen Ruf. Gebessert hat sich in den letzten Jahren aber nichts, das Grummeln der Lehrmeister und Wirtschaftsverbände wird immer lauter. Die 600 Jugendlichen aus dem Stadtkanton, die sich am Mittwoch an der Lehrstellenbörse des Gewerbeverbands mögliche Jobs bei 50 Unternehmen ansehen können, dürften nicht den besten Stand haben.

Ins Zentrum der Kritik rücken die Volksschulen. Es muss ein Alarmsignal für diese sein, wenn der Basler Bankenverband auf Anfrage sagt: «Wir stellen fest, dass viele Banken weniger und qualitativ schlechtere Bewerbungen aus dem Kanton Basel-Stadt erhalten. Entsprechend werden mehr Dossiers von Schülern aus den benachbarten Kantonen berücksichtigt.» Das liegt hauptsächlich daran, dass viel zu viele Jugendliche heute das Gymnasium oder eine weiterführende Schule besuchen. Letztes Jahr sind 37,2 Prozent aller Schüler ins Gymi übergetreten – eine viel zu hohe Zahl und Deutschschweizer Spitzenwert, natürlich.

Ob Bankenverband, Gewerbeverband oder Handelskammer beider Basel: Alle stören sich an diesem Wert; vor allem weil die Kenntnisse der Schüler in wichtigen Fächern wie Deutsch und Mathematik laut Pisa-Studie katastrophal sind. Reto Baumgartner, Leiter Berufsbildung des Gewerbeverbands, sagt deutlich: «Es ist doch klar, dass die Basler Schüler nicht so viel cleverer sind als jene in anderen Kantonen.» Die hohe Gymnasium-Quote sei also nicht zu rechtfertigen und erweise im Grunde allen einen Bärendienst.

Handelskammer-Boss Martin Dätwyler sagt über dasselbe Problem: «Es ist nicht Aufgabe der Wirtschaft, in der Schule entstandene Defizite auszugleichen.» Die Lehranstalten hätten eine grosse Verantwortung und müssen sich fragen, mit welchen Massnahmen sie dem begegnen wollten. Dieter Baur, Leiter Volksschulen, bestätigt, dass die heterogene Bevölkerung in Basel die Schulen vor Herausforderungen stelle, namentlich in den beiden genannten Fächern. Man räume diesen grosse Priorität ein, etwa mit einem erhöhten Bewusstsein für sprachbewussten Unterricht.

Offensichtlich ist der Erfolg überschaubar – und die Kritik an den Schulen wächst weiter. Die Wirtschaftsverbände beklagen sich auch lautstark darüber, dass die Berufslehre nicht den Stellenwert erhalte, den sie verdient hätte. Kurz: Nur das Gymnasium zählt. Baur widerspricht dem: Man unternehme grosse Anstrengungen – die Gleichwertigkeit der verschiedenen Ausbildungswege könne nicht genügend betont werden.

Nur: Das klappt überhaupt nicht. In Basel sind die Lehrlinge bei Ausbildungsbeginn durchschnittlich ein bis zwei Jahre älter als in anderen Kantonen. Was daher rührt, dass die Übertrittsquote ins Gymnasium «deutlich zu hoch» sei, wie Baumgartner sagt. Stossend sei für ihn – wie für Dätwyler auch -, dass von den Verbänden angebotene Berufslehre-Förderprojekte in den Schulen nicht auf grosse Resonanz stossen.

Baur geht mit den Kritikern insofern einig, indem er sagt, dass für das nächste Schuljahr die Übertrittsquote ins Gymnasium «im Minimum stabilisiert werden soll», da sie zwischen 2018 (über 40 Prozent) und 2019 (37,2 Prozent) erfreulicherweise stark gesunken sei. Die Statistik zeigt in der Schweiz als auch im Ausland klar: Je höher der Anteil des jeweils höchsten Schulabschlusses ist, desto höher auch die Jugendarbeitslosigkeit.

Das bestreitet auch Baur nicht – und wünscht sich «mehr starke Schülerinnen auf dem Lehrstellenmarkt».

In der Politik wird aber noch nicht vehement gepocht – und für Baumgartner ist klar, warum: Die Reaktion auf die Anhebung des Notendurchschnitts fürs Gymnasium habe gezeigt, wie heikel dieses Thema sei. Offensichtlich will sich da niemand die Finger daran verbrennen. Baumgartner, ein erfahrener Berufsbildner, legt nach: «Was mich auch stört: Wenn 10 Prozent der Auszubildenden ihre Lehre abbrechen, ist der Aufschrei riesig. Dass es im Gymnasium 20 bis 30 Prozent sind, darüber empört sich offensichtlich niemand.»

Doch nicht nur die Schulen stehen im Kreuzfeuer der Kritik. Auch die Lehrlinge schwächeln. Dätwyler spricht an, was von vielen Lehrmeistern schon lange kritisiert wird: «Es sind auch immer öfter die Soft Skills, die nicht zufriedenstellend sind: Es fehlt manchen Lehrlingen an Ernsthaftigkeit, Motivation, Disziplin und Durchhaltewillen. Das ist gesellschaftlich bedingt.»

Keine guten Aussichten.