Ein Bankenplatz mit bewegter Geschichte

Zweiter Jubiläumsbeitrag von Felix Erbacher erschienen in der Basler Zeitung vom 12. Februar 2018.

Basler Bankiers legten die finanzielle Basis für die Industrialisierung der Schweiz

Basel war einst der wichtigste und internationalste Finanzplatz der Schweiz. Schon im 13. Jahrhundert finanzierte Cosimo de Medici, ein Abkömmling der italienischen Gelddynastie, auf einer Geschäftsstelle den internationalen Handel von Basel aus. Später zog das Konzil von 1431 bis 1449 zahlreiche Bankleute ans Rheinknie, die Stadt avancierte zum wichtigsten Geldwechsel-Zentrum der Schweiz. Anfang des 16. Jahrhundert wurde der Geldwechsel verstaatlicht. Diese amtlichen Wechselstuben wechselten Geld, setzten neues Geld in Umlauf, vergaben Darlehen und Kredite, tätigten Überweisungen und verwalteten Vermögen. Der Basler Stadtwechsel vermittelte als einziges Schweizer Emissionsinstitut öffentliche Anleihen, und Basel wurde als Finanzplatz noch bedeutender. In der Mitte des 18. Jahrhunderts wurden die amtlichen Wechselstuben (Basler Stadtwechsel) aufgegeben. Die zahlreichen Waren-Handlungen machten zunehmend auch Geldgeschäfte.
Daraus entstanden wiederum die ersten Banken. Die erste ist mit dem Namen Benedict La Roche verbunden. 1787 gründet er eine Handels- und Speditionsgesellschaft, die Handlung La Roche. Vorerst stehen Transport- und Kommissionsgeschäfte sowie Spekulationen im Vordergrund. Er vergibt auch Kredite. Das Bankgeschäft sollte erst später die drei anderen Bereiche der Handlung verdrängen.

Bahn kommt ins Rollen
Erst mit der fortschreitenden Industrialisierung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wächst die Bedeutung des Bankengeschäftes so richtig. Der Geldbedarf der Wirtschaft nimmt zu; die Unternehmer beschaffen sich die Mittel mit der Ausgabe von festverzinslichen Anleihen. In den 20er-Jahren des 19. Jahrhunderts stieg zum Beispiel die Bank La Roche in dieses lukrative Anleihegeschäft ein, was einen bedeutenden Schritt von der “Handlung” (Kommission), Spedition im Zusammenhang mit dem florierenden Seidengeschäftes zum Bankinstitut bedeutete.
Mit anderen Banken gründet La Roche sogar eine Schifffahrtsgesellschaft mit zwei Dampfschiffen, die von Basel nach Mainz verkehrten. Nach vier Jahren scheitert das Projekt, die Konkurrenz Bahn war stärker.
Aber der Bahnbau inspirierte natürlich die Banken. Auch hier war La Roche wegweisend. Benedikt La Roche präsidierte die Union Suisse, die den Bau der Strecke Zürich-Basel finanzierte. Letztlich kam nur die Strecke Zürich-Baden, die «Spanischbrötlibahn», zustande. Immerhin wurden 140’000 Zentner Schienen von England in die Schweiz transportiert.
Basel geniesst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts einen ausgezeichneten Ruf als Kapitalmarkt, was sich in einer wahren Flut von Emissionsbegehren zeigt. Der Bankenplatz engagiert sich intensiv am Bau der Gotthardbahn mit rund zehn Millionen Franken mit Aktien und Obligationen. Karl R. Stehlin-Merian war nicht nur der erste Präsident des Bankvereins, sondern auch Mitglied des Verwaltungsrates der Centralbahn, Vizepräsident der Gotthardbahn und Mitglied des Börsenvereins ab 1976. So wurde zum Beispiel auch die Wiesentalbahn teils direkt, teils indirekt durch öffentliche Zeichnungen von Aktien und Obligationen ermöglicht. Dies alles förderte die Gründung der Basler Börse im Jahr 1876.
Basler Banken und Bankiers finanzierten auch Kraftwerke und standen der Chemie, auch in Notlagen bei. So der Bankier Rudolf Albert Koechlin mit seiner Basler Handelsbank (BHB). Als Schwager von Fritz Hoffmann rettete er die F. Hoffmann-La Roche & Co. vor dem Konkurs. Koechlin hatte wie andere Basler Banquiers ein Gespür für die industriellen Möglichkeiten der damaligen Aufbruchzeit, insbesondere für das Potenzial der Elektrizität im Städtebau und im Transportsektor. Dabei verknüpften sie geschickt Kapital und Technik. Die dazu notwendigen Vehikel waren Trustgesellschaften, so die Transportbank, Indelec und Industriebank.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts ist der hiesige Finanzplatz immer noch der bedeutendste schweizweit. Neue Institute wie die Basler Kantonalbank entfalten sich (1899). In- und ausländische Bankinstitute sowie Finanzierungsgesellschaften richten am Rheinknie Niederlassungen ein.
Der Basler Bankverein weitet seine Geschäftstätigkeiten aus, fusioniert mit dem Zürcher Bankverein und der St. Galler Unionbank und mutiert schliesslich zum Schweizerischen Bankverein (1897). Diese Gründerwelle dauerte bis ins erste Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts.
Der Erste und Zweite Weltkrieg waren für die Schweizer Banken kein Zuckerschlecken. Die Absatzmöglichkeiten der Industrie im Ausland gehen massiv zurück, die Erholung nach den Kriegen dauert. Entsprechend verringern sich die Aktivitäten im Kredit-, Finanzierungs- und Anlagegeschäft. Die Banken rücken enger zusammen. Die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) wird 1912, die Basler Bankenvereinigung (BBVg) 1918 gegründet (Siehe auch BaZ vom 29. Januar 2018, Seite 7). Trotz diesen Krisenjahren erreichte der Schweizerische Bankverein (SBV) 1918 erstmals eine Bilanzsumme von über einer Milliarde Franken.

Basler Börse schliesst
Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebt die Schweiz prosperierende Phasen. Die Banken profitieren üppig davon, auch die hiesigen. Aber andere Finanzplätze laufen Basel langsam den Rang ab. Vorab Zürich und Genf, auch Lugano mausert sich nach oben. 1996 werden am Aeschenplatz die vier Ringe der Basler Börse geschlossen, eine 120-jährige Aura geht zu Ende. Der Fortschritt der modernen Kommunikationstechnologie forderte ihren Tribut. Die modernste Informationstechnik hielt Einzug – und die Elektronische Börse Schweiz (EBS) bezog nun mal ihren Sitz in der schweizerischen Finanzhauptstadt Zürich.
1998 später schliessen sich der Schweizerische Bankverein (SBV) und die Schweizerische Bankgesellschaft (SBG) zur UBS zusammen. Tausende von Arbeitsplätzen gehen in Basel verloren oder wandern nach Zürich ab.
Der hiesige Finanzplatz musste sich mit einer bescheideneren, dafür umso feineren Rolle abfinden. Serviceleistungen für das breite Publikum sowie Industrie und Gewerbe, insbesondere aber das Vermögensverwaltungsgeschäft stehen fortan im Vordergrund. Dem Image nützt, dass die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) ihren Hauptsitz in Basel hat und mit ihrem Turmgebäude das Stadtbild prägt. Sie fasst Beschlüsse, die den Namen Basel tragen und ihn in die Finanzwelt hinaus transportieren.

Spitzenfunktionen für Basler
Der Finanzplatz übte seinen Einfluss von Basel oder über seine Repräsentanten in den wichtigsten Standesorganisationen aus. Der Verband der Schweizerischen Kantonalbanken hat seit 1907, die Schweizerische Bankiervereinigung seit 1912 ihren Sitz in Basel. Während vielen Jahren präsidierten die Sarasin-Bankiers Alfred Sarasin-Iselin, Alfred E. Sarasin und Georg Krayer die Vereinigung. Christoph Gloor stand der Vereinigung Schweizerischer Privatbanken bis April 2015 vor. Basler Bankiers prägten als Verwaltungsräte darüber hinaus die Strategien namhafter Industrieunternehmen. Alfred E. Sarasin (Hero, Basler Handelsgesellschaft und deren Tochter UTC, Schweizerische Reederei- und Neptun AG (SRN), Motor Columbus, Pirelli). Walter Frehner sorgte in seiner Eigenschaft als erster Mann des Bankvereins in den 1980er-Jahren mit dafür, dass die schweizerische Uhrenindustrie überlebte.

Aufwind durch Pharma
Der Finanzplatz wusste seine Bedeutung wieder zu vergrössern. Heute kann er sich wieder sehen lassen. Die Pharma- und Medtech-Sektoren florieren und generieren Einkommen und Vermögen, die angelegt sein wollen. Gerade nach der Finanzkrise ab 2007 suchen die Kunden die Nähe zu ihren Instituten. Dies führte zu einer respektablen Dynamisierung in der Nordwestschweiz. Die St. Galler Bank Wegelin, die heutige Notenstein La Roche, richtete 2006 in Basel eine Filiale ein. Clariden Leu versuchte sich ab 2008 in Basel, (ging dann aber 2011 voll in der Credit Suisse auf). Dann finden Genfer Privatbanquiers gefallen am Dreiländereck, zuerst 2008 Mirabaud mit der Übernahme der Banque Jenni & Cie, ein Jahr später Pictet mit einer Niederlassung. Die Zürcher Privatmann Vontobel zieht es 2010 in die Rheinstadt. Schliesslich eröffnet auch die Regionalbankengruppe Valiant im gleichen Jahr eine Niederlassung in Basel.
Heute gehören 27 Institute der Basler Bankenvereinigung an. Die Struktur des Platzes Basel ist stabil, wenn auch die kleineren Häuser viel Aufwand für die Erfüllung der zunehmenden Vorschriften seitens der Politik und der Aufsichtsbehörden erfüllen müssen. Die eine oder andere Veränderung auf dem hiesigen Bankenplatz ist deshalb denkbar.