Die Basler Bankenvereinigung ist vor 100 Jahren gegründet worden. 1918, das letzte Jahr des Ersten Weltkrieges, war schrecklich, sowohl politisch als auch wirtschaftlich. Die Schweiz stand am Rande eines Bürgerkrieges. Bourgeoisie und Arbeiterschaft standen sich gegenüber. Die Folgen des Weltkrieges: Die Preise stiegen ins Unerträgliche, die Lebensmittel wurden knapp. Die Zahl der Notstandsberechtigten betrug fast 700’000 Personen, bei einer Gesamtbevölkerung von 3,8 Millionen. Brot, Fett, Käse und Milch wurden nacheinander rationiert. «Alles wird beständig teurer. Aber schlimmer als alle tatsächliche Teuerung wirkt jene rücksichtslose industrielle Gewinnsucht», schrieb die Neue Zürcher Zeitung, wahrlich kein Blatt der Linken, am 28. April 1918.
Soziales Tauziehen
So kam es schweizweit zu massiven Protestaktionen. Ende Oktober streikten ausgerechnet die Zürcher Bankangestellten während zwei Tagen. Dies war ein deutliches Fanal für die Bürgerlichen. Vom 11. bis 14. November kam es schliesslich zum Generalstreik. 250’000 Arbeiter und Gewerkschafter beteiligten sich daran. Auch in Basel wurde gestreikt. Immerhin sorgten Regierung und Streikführung zusammen für einen geordneten Ablauf des Aufstandes. Diese gewaltige Manifestation gehört zu den einschneidendsten sozialen Tauziehen in der Schweizer Geschichte. Natürlich lähmte sie die Wirtschaft.
789 Tote in Basel
Als wäre diese wirtschaftliche Not und politische Krise nicht schon genug gewesen, tobte 1918 und 1919 weltweit eine Grippewelle, die schätzungsweise 20 bis 25 Millionen Todesopfer forderte. Die Schweiz blieb nicht verschont. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung erkrankte und allein 1918 starben 25’000 Personen. Hans Bauer, Verfasser von «100 Jahre Basler Wirtschaftsgeschichte» hält fest, dass zwischen dem 30. Juni 1918 und dem 5. April 1919 insgesamt 789 Todesfälle registriert wurden.
Ging es der Wirtschaft und den Banken im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts noch ausgezeichnet, änderte sich dies drastisch. Zahlreiche Banken gingen in Konkurs oder mussten liquidiert werden. Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges wirkte sich erst recht katastrophal aus. Die Gläubiger der Banken reagierten mit Panik auf die Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien und stürmten die Bankschalter. Die Schweizerische Nationalbank griff ein und verhinderte ein noch grösseres Bankensterben. Dann aber überstand nach anfänglicher Krise das schweizerische Bankensystem den Ersten Weltkrieg und auch die ersten Jahre danach.
In der heiklen Phase der ersten 1910er-Jahre wurde 1912 die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) gegründet. Erst im Katastrophenjahr 1918 befanden es die Basler Bankiers für angebracht, eine lokale Branchenvertretung, die Basler Bankenvereinigung (BBVg), auf die Beine zu stellen. Sie dürfte in den folgenden Jahren denn auch einiges zu tun gehabt haben; die Depression der 1920er- und der 1930er-Jahre führte zu grossen Abschreibern und Verlusten.
Bankiers sitzen zusammen
Letztlich lassen sich weder die spezifischen Umstände und Motive noch die Väter der Gründung eruieren. Die einschlägigen Archive liefern keine Hinweise. Immerhin dürften Persönlichkeiten wie Rudolf Albert Koechlin-Hoffmann, Präsident der Basler Handelsbank (sie war damals eine der bedeutendsten Schweizer Banken, oder Alphons Simonius-Blumer (Präsident des Schweizerischen Bankvereins von 1906-1920) eine gewichtige Rolle gespielt haben, wie auch Robert Friedrich La Roche-Ryhiner und Fritz La Roche-Merian, beide Teilhaber der La Roche & Co. Mit im Boot dürfte auch Alfred Sarasin-Iselin, Mitbegründer der Schweizerischen Nationalbank, gewesen sein. Zu den Privatbankiers mit Namen gehörte damals auch Jules Dreyfus, der während 40 Jahren die Geschicke der Dreyfus Söhne & Cie. leitete. Die Privatbankiers waren zur Gründungszeit der BBVg nicht nur zahlreich, sondern entsprechend auch einflussreich.
Auch ist nicht verbrieft, wer zu den Gründerbanken gehörte. Aktiv auf dem Platz Basel waren damals schon der Schweizerische Bankverein (SBV), die Schweizerische Volksbank (SVB), die Basler Kantonalbank (BKB), die Eisenbahnerbank, die Privatbanken Sarasin, La Roche, Dreyfus, Ehinger, Gutzwiller, das Comptoir d’escompte de Bâle, Cial, die Handwerkerbank und die zinstragende Ersparniskasse. Weil die damalige Schweizerische Kreditanstalt (SKA) 1906 in Basel ihre erste Filiale ausserhalb von Basel Zürich eröffnete, war sie mit grosser Wahrscheinlichkeit auch Gründungsmitglied der BBVg.
Was also damals in den ersten Statuten stand, darüber kann heute nur gemutmasst werden. Man darf davon ausgehen, dass es vornehmlich um organisatorische Belange wie die Findung der Organe ging. Die Basler Banken hatten wohl prioritär regionale Interessen, weil, sie national ja von der SBVg vertreten wurden und dort auch ihre Vertreter hatten.
Wie aus späteren Protokollen und Briefwechseln hervorgeht, koordinierten die Basler Banken in den 1930er-Jahren vorab die Arbeitszeiten und Ferien sowie die Dienst- und Besoldungsmodelle. Diskutiert wurde beispielsweise, ob die Bankschalter am Samstag schon um 12 Uhr geschlossen werden sollen. Die Senkung der Arbeitszeiten bildete stets ein Thema.
Minimallohn 200 Franken
Während der Wirtschaftskrise wurde etwa ein Lohnabbau zwischen drei und acht Prozent je nach Gehaltshöhe beschlossen. Das Jahreseinkommen lag damals zwischen 2700 und 10’000 Franken je nach Qualifikation und Funktion. Der Minimallohn betrug 200 Franken für kaufm. Angestellte. Für die Frauen freilich lag das Lohnbudget tiefer. Zwölf Werktage Ferien wurden gewährt. Die BBVg diskutierte regelmässig die Schrankfächertarife.
Festzuhalten ist aber auch, dass die BBVg 1937 einen Beitrag an die Finanzierung des neuen «Vereins- und Schulgebäudes» des Kaufmännischen Vereins (KV) Basel leistete. Über dessen Höhe findet sich jedoch im Archiv kein Vermerk. Der Bau kostet damals 1,66 Millionen Franken.
Vor dem Zweiten Weltkrieg mussten vorsorgliche Massnahmen über mögliche Evakuationen in den Grenzregionen der Schweiz erörtert werden.
Aber stets füllten in den nachfolgenden Jahrzehnten die Themen Lohnerhöhungen, Teuerungszulagen, Arbeitszeiten, Gebührenordnungen, Wertschriften- oder Tresorgebühren die Protokolle und Korrespondenz der BBVg. 1964 mussten auch die Banken die Fünftagewoche bei einer Wochenarbeitszeit von 44 Stunden einführen.
«Lange Zeit war die BBVg ein Zweckverband für den Fall, dass die Banken gemeinsame Interessen wahrnehmen mussten. Das hat sich mittlerweile reduziert auf weitgehend administrative Dinge wie die Besprechung von Schalteröffnungszeiten, Kontokorrentzinsen, etc.», sagte der damalige BBVg-Präsident Georg Schnell 1993 anlässlich des 75. Geburtsjahres der BBVg der Basler Zeitung.
Studie weckt auf
Das änderte sich aber 1988 schlagartig, als eine Studie den Rückstand des Finanzplatzes Basels auf Zürich schwarz auf weiss belegte. Die BBVg erkannte einen Handlungsnotstand und entschloss sich zu einer Neuorientierung. Sie änderte ihre Strukturen, richtete ein ständiges Sekretariat ein und rief verschiedene Projektgruppen «Steuern», «Bankfachkurse» oder «Wirtschaftsförderung» ins Leben. Es ging vor allem um die Koordination jener Bereiche, die schweizweit nicht miteinander abgesprochen waren. Die grundlegende Politik der BBVg vor einem Vierteljahrhundert lag darin, die Entwicklung des Finanzplatzes zu fördern, indem Werbung ausserhalb von Basel für Basel als Wirtschaftsstandort gemacht werden sollte. Innerhalb von Basel setzte sich die BBVg für möglichst gute Wirtschaftsbedingungen ein, meinte Georg Schnell damals.
Werbung betreibt die Basler Bankenvereinigung heute nicht mehr. Aber sie wahrt und vertritt die Interessen ihrer Mitgliedsinstitute und vermittelt der Öffentlichkeit, den bestehenden und zukünftigen Bankkunden, aber auch den Mitarbeitenden ihrer Mitgliedinstitute sowie jungen Menschen, die in die Finanzwirtschaft eintreten möchten, transparente Informationen. Die Basler Bankenvereinigung hat sich permanent der Zeit angepasst.