Vierter Jubiläumsbeitrag von Felix Erbacher erschienen in der Basler Zeitung vom 9. April 2018

Ein Berufsbild ändert sich

Die Welt der Banken wird morgen eine andere sein als heute. Digitalisierung, Big Data, Blockchain, Fintech und Regtech wandeln die Finanzwelt um. Spezialisten, Wissenschaftler und Banker können nur erahnen, in welche Richtung der Transformationsprozess geht. Nichts ist fix. Der Duchschnittsbürger wird mit neuen Begriffen konfrontiert, die er kaum mehr versteht.

Mit der Veränderung der Branche wandelt sich auch das Anforderungsprofil der Bankangestellten grundlegend. Bislang waren vornehmlich betriebliche Tätigkeiten oder Anlagen von der Digitalisierung betroffen. Fortan wird mehr die Arbeit selbst tangiert, einschliesslich diejenige qualifizierter Fachkräfte. Auch bei den Banken. Entsprechend formen sich die künftigen Kompetenzanforderungen um. Der Zürcher Bankenverband hat die Studie «Bankfachspezialisten 2030» in Auftrag gegeben. Die Resultate sind Ende 2017 bekanntgegeben worden und so spannend wie instruktiv.

Massentaugliche Innovationen
Fest steht, dass sich die Berufsbildermassgeblich verändern. «Neue innovative, digitale Dienstleistungen werden zunehmend massentauglich. Gleichzeitig bleiben die persönliche Beratung und Betreuung als Dienstleistung und zur Vertrauensbildung für Kundinnen und Kunden bedeutend – ebenso wie die Daten- und Systemsicherheit im Bankgeschäft», halten die Autoren der Studie «Bankfachspezialisten 2030» fest. Die Wahrscheinlichkeit der Digitalisierung oder Automatisierung sei besonders hoch bei repetitiven Tätigkeiten mit einem geringen Komplexitätsgrad und ohne besondere Ausbildungsanforderungen, meint Balz Stückelberger, Geschäftsführer von Arbeitgeber Banken, dem Arbeitgeberverband der Banken in der Schweiz. In diesen Bereich gehört zum Beispiel die Datenerfassung, die der Computer schneller und mit einer geringeren Fehlerquote erledigen kann. Die Eingangshallen der Banken benötigen weniger Personal. Sie werden umgebaut und mit Geldautomaten und Beratungsdesks versehen. Oder Geldautomaten ersetzen zuweilen Filialen.

Der Mensch bleibt im Bankengeschäft eine zentrale Figur, darin sind sich die Fachleute einig. Das ist schon mal eine beruhigende Nachricht. Aber der Beruf ist kein Selbstläufer mehr. Um den Job zu behalten und vor allem auch um vorwärtszukommen, müssen sich Angestellte mehr ins Zeug legen als bisher. Die Weiterbildung und die Interdisziplinarität stehen im Vordergrund, weil das Bankfach rasant technischer wird. Die Entwicklung verläuft je nach Bereich in verschiedene Richtungen. Bei der Kundenberatung und -betreuung findet der einschneidendste Übergang statt. Von Veränderungen bis hin zur vollständigen Erneuerung der Tätigkeitsfelder ist die Rede. Die Digitalisierung werde übergreifend die Mehrheit der Kompetenzen beeinflussen und hohe Anforderungen an die Lern- und Wandlungsbereitschaft stellen, heisst es in der Studie.

Papierloses Büro
Der Bankangestellte kann sich also nicht auf seine Grundausbildung verlassen, seine Pflicht am Arbeitsplatz erfüllen und getrost darauf warten, was da kommt. Wer jung ist, kann sich an den Rhythmus einer stetigen Weiterbildung gewöhnen. Wer aber heute 45 Jahre als ist, hat vielleicht noch zwanzig Berufsjahre vor sich; für ihn stellt der Übergang in die neue Bankenwelt eine besonders grosse Herausforderung dar.

Für die Laufbahn bedeutet dies, dass sie nicht, wie seit Jahrzehnten gewohnt, linear-vertikal verläuft, sondern sich multidirektional und horizontal bewegt. Mit anderen Worten, von den Bankangestellten erwarten die Chefs funktionale Flexibilität und Eintauchen in neue Welten.

Ein heikles Thema ist die quantitative Personalentwicklung. Jobs werden verschwinden, neue kommen hinzu. Wie fällt der Saldo aus?

Die Credit Suisse arbeitet daran, bis Ende dieses Jahres rund 200 Arbeitsprozesse zu digitalisieren, vom ersten Kontakt mit dem Kunden über die Beratungsdienstleistung bis zur Verarbeitung im Backoffice. Das langfristige Ziel der CS ist ein papierloses Büro. Noch aber sind viele Dienstleistungen zu komplex, als dass sie vollständig automatisiert werden können. Das klingt vorerst für die Arbeitnehmer nicht gut.

Es gibt auch Gegenbewegungen. Man kann abschätzen, dass bei vielen Prozessen im Kerngeschäft weniger Menschen gebraucht werden, in der Informatik jedoch mehr. Dann kommt es auf den Erfolg der Bank an. Kann sie ihr Volumen ausdehnen, beispielsweise bei der Vermögensverwaltung, hilft das, die Differenz zu minimieren, eventuell sogar den Stellenbestand zu steigern. Stückelberger sagt es so: «Mit der Digitalisierung steigt die Produktivität, und neue Märkte können erschlossen werden, wodurch wiederum neue Arbeitsplätze entstehen.» Er sieht eine steigende Beschäftigung.

Das Beratungsunternehmen Deloitte berechnet das Digitalisierungspotenzial für die Schweiz auf 270 000 Stellen netto. Für die Bankbranche prognostiziert es eine deutlich unterdurchschnittliche Automatisierungswahrscheinlichkeit. Der essenzielle Kundenkontakt dürfte dabei eine wichtige Rolle spielen. Stellenwachstum im Finanzsektor ist in den wachsenden banknahen Unternehmen von Fintech und Regtech offensichtlich.

Arbeitgeber in der Pflicht
Viele Banken beschäftigen künftig im Kerngeschäft eher weniger als mehr Personen. Die Digitalisierung muss sich schliesslich lohnen. Stückelberger ist aber davon überzeugt, dass unter dem Strich die Beschäftigung insgesamt im Bankensektor zunehmen wird. Zurzeit sind in der Schweiz bei den traditionellen Banken 101 400 und mit den banknahen Finanzdienstleistern rund 145 000 Mitarbeitende (Vollzeitbasis) beschäftigt.

Wie auch immer, das Berufsbilddes Bankangestellten wandelt sich. Nicht nur die Arbeitnehmer, auch die Arbeitgeber sind gefordert. Das sieht auch Stückelberger so. Beide müssten den Transformationsprozess gemeinsam gehen. Weiterbildungsmassnahmen sollen insbesondere auch bei den älteren Mitarbeitenden ansetzen, damit diese möglichst lange im Betrieb eingesetzt werden können. Alle Bankbeschäftigten müssen mit dem sich permanent verändernden Arbeitsmarkt Schritt halten (Employability). Damit sind Medien- und Technologiekompetenz, vernetztes und interdisziplinäres Denken, Teamfähigkeit und Kontaktfähigkeit sowie Flexibilität und Offenheit gefragt.

Die Arbeitgeber tun gut daran, mit Weiterbildungsprogrammen diese Fortbildung zu intensivieren und auszubauen. Erste Schritte sind getan. Arbeitgeber Banken und der Kaufmännische Verband Schweiz haben den Kurs «Arbeitsmarktfähigkeit 4.0» entwickelt und lanciert. Er richtet sich an erfahrene Mitarbeitende und beinhaltet insbesondere die Themen Digitalkompetenz und Selbstmanagement.

Die Bankangestellten stehen vor einer spannenden Zukunft. Ihre Arbeitsgebiete verändern sich, weil viele repetive Tätigkeiten wegfallen. Daraus ergeben sich neue Möglichkeiten. Die Bankkarriere gewinnt an Attraktivität.

«Zukunftsstudie Bankfachspezialisten 2030», eine interdisziplinäre Studie des Instituts ZHAW School of Management and Law.