Elfter Jubiläumsbeitrag von Felix Erbacher erschienen in der Basler Zeitung vom 19. November 2018: Zusammenspiel ist entscheidend

BLKB-Chef John Häfelfinger spricht über die Herausforderungen eines Banken-CEO

Sein Büro ist gross und hell, lässt viele Blicke auf das herbstliche Liestal zu. Vielleicht scheint es nur so voluminös, weil es karg eingerichtet ist. Immerhin fällt ein quadratisches schwarz-weisses Bild eines teilweise mit Nebeln verdeckten Berges auf. Es zeigt, wie sich eine Schneewolke lichtet und den Blick auf eine Berglandschaft freigibt.

Am Gesprächstisch sitzt der 47-jährige John Häfelfinger, seit 23 Monaten Chef der Basellandschaftlichen Kantonalbank (BLKB). Er gehört zur Managergilde, die keine Krawatte trägt. Entsprechend gibt er sich entspannt und antwortet auf Fragen, die auf die veränderten Anforderungen an das Bankmanagement zielen.

Das «Du» hält Einzug

Früher wurden die Banken anders geleitet als heute. Hierarchien strukturierten die Organisationen. Unvorstellbar, dass unter den Mitarbeitenden zwischen den Stufen das «Du» dominierte. Unvorstellbar, dass sich Sekretärin und Chef auf oberster Stufe mit den Vornamen ansprachen. Nicht bei allen Banken, aber bei der «Basellandschaftlichen» spricht man sich von oben bis unten so an. Das mögen Zeiterscheinungen und Äusserlichkeiten sein, aber sie weisen darauf hin, dass das Unternehmen als Ganzheit zu verstehen ist, und neue Trends in Gang gekommen sind.

John Häfelfinger sagt es so: «Die Interdisziplinarität ist wichtiger, ja, matchentscheidend geworden.» Das Zusammenspiel zwischen den verschiedenen Bereichen der Bank sei unabdingbar geworden. Nicht einzelne Mitarbeitende, die Gesamtbank stehe im Fokus. «Wir setzen uns deshalb ausschliesslich Teamziele», sagt John Häfelfinger, «und auch ich werde an diesem Teamerfolg gemessen.»

Er hat seine Lehre bei der Regiobank beider Basel gemacht, Mitte der 80er-Jahre. Seither hat sich das Bankengeschäft stark verändert. Bis zu seinem Lehrantritt ging es bei den Schweizer Banken nur nach oben. Kreditgeschäft und Vermögensverwaltung blühten. Dann tauchten die ersten Wolken auf. 1995 stellten sich hartnäckig die Fragen um den Verbleib der nachrichtenlosen Vermögen von Holocaust-Opfern des Zweiten Weltkriegs. In einem Vergleich zahlten die drei Grossbanken SBV, SBG und SKA 1,8 Milliarden Franken. Sie und der Finanzplatz Schweiz verloren erstmals an Glanz.

Turbulente Zeiten

Im folgenden Jahrzehnt kam das Investmentbanking auf. Die Internationalisierung und die fortschreitende Technologisierung führten zur «Dotcom»-Krise. 2007 bis 2009 erlebten der Finanzplatz Schweiz und vor allem die UBS eine turbulente Phase. Die Banken mussten Haare lassen. Die zunehmende Vermögensbildung, nicht zuletzt in Asien, stärkte in der Folge das Private Banking. Erst musste sich die Schweiz aber noch vom Bankkundengeheimnis verabschieden.

Die Banken erholten sich langsam. Hierzulande und in Europa hatten sie nach dem Finanzschock von 2008 strengere Regeln einzuhalten. Die Bilanzen gesundeten. In den USA sind die Institute mittlerweile stärker denn je. In der Schweiz haben sie noch Spielraum nach oben.

Parallel zu dieser Evolution der Finanzinstitute haben sich die Anforderungen an die CEOs verändert. Der «Kreditler» war vor 30 Jahren der König. Als das Investmentbanking aufkam, waren technische und teilweise auch mathematische Kenntnisse hilfreich. Heute stehen soziale Sensibilität, Kommunikationskompetenz und Problemlösungsmethoden im Vordergrund.

Die Digitalisierung hat zur Veränderung viel beigetragen. Stichworte sind Anlageberatung, Wertschriftenadministration, Zahlungsverkehr und Kreditprozess. Den Bankern stehen einst ungeahnte digitale Hilfsmittel zur Verfügung, welche die Qualität der Entscheidungen verbessern. Doch die Arbeit ist für die Mitarbeitenden anspruchsvoller geworden, wenn auch ergiebiger. Mit der Digitalisierung hat allerdings die Zahl administrativer Arbeitsplätze abgenommen.

Regulatorien sind «okay»

«Die gesteigerte Produktivität wird natürlich zu einem gewissen Teil durch die Regulatorien wieder aufgehoben», sagt der BLKB-Chef. Aber wettern, wie dies der eine oder andere Branchenkollege tut, will er nicht. Immerhin sei das Bankensystem sicherer geworden. Häfelfinger schätzt sich glücklich, dass sein Institut über 20 Prozent Eigenkapital verfügt. Er unterstützt sogar die neuen Vorschriften, obwohl mehr Transparenz und Sicherheit mit mehr Aufwand und höheren Kosten verbunden seien. «Damit müssen wir umgehen können», sagt er.

In den letzten Jahren hat sich das Image der Branche zwar aufgehellt, aber es glänzt noch lange nicht so, wie es die Banker gern hätten. Das weiss John Häfelfinger, wenn auch sein Geldhaus nicht zu den schwarzen Schafen gehörte.

Zu seinen obersten Zielen zählt deshalb ein hohes Ansehen innerhalb wie ausserhalb der Bank sowie Transparenz und Fairness im Geschäften. Sein Arbeitstag kann er schwerlich in ein Zeitraster einordnen: «Irgendwann gegen 6.30 Uhr beginne ich, irgendwann gegen 19 Uhr gehe ich aus dem Office. Die modernen Kommunikationsmittel ermöglichen und motivieren dazu, uns von Bürozeiten zu emanzipieren; ich spreche mit meinen Mitarbeitenden, wo und wann sie mich brauchen.» Seine Tage sind primär gefüllt mit Sitzungen und Gesprächen – mit Mitarbeitenden oder mit Kunden.

Dazu kommen weitere Termine wie z. B. für die Basler Bankenvereinigung (BBVg), in der Häfelfinger als Vorstandsmitglied amtet: «Austausch mit Partnern und Stakeholdern sind enorm wichtig und helfen mir, die Bank weiterzuentwickeln – in meiner Funktion als CEO muss ich konstant dazulernen, um fit zu bleiben.»

Er besucht zudem durchschnittlich drei Repräsentationsanlässe pro Woche. Und zuweilen widmet er sich auch einem Journalisten. Die Agenda eines Bankchefs vor 30 Jahren sah anders aus.

Noch nicht wie Pharma

Ein Weiteres hat sich gewandelt. Wenn früher das Hier und Jetzt dominiert habe, so gelte es heute wegen der Geschwindigkeit der Entwicklung ungleich stärker, die Zukunft ins Visier zu nehmen und Innovationen voranzutreiben. «Ambidexterität oder Beidhändigkeit» nennt Häfelfinger die Disziplin, in welcher ein Bankier heute gut sein muss.

«Wir dürfen nicht das eine tun und das andere dabei unterlassen, eine Organisation muss sich heute ständig weiterentwickeln und sich den verändernden Bedürfnissen der Kunden anpassen.» Die BLKB gehe deshalb auch gezielt Partnerschaften mit innovativen Unternehmen ein. Beispiele sind die strategische Partnerschaft mit True Wealth in der Online-Vermögensverwaltung und die Kooperation mit Anivo und Baloise im Bereich Versicherungen für Hypothekarkunden.

Und die letzte Woche angekündigte Eröffnung einer Filiale in Basel gehört wohl auch in die Weiterentwicklung der Organisation.

Voller Rucksack

John Häfelfinger hat als junger Manager genügend Zeit und Gestaltungsmöglichkeiten vor sich. Er kann dazu seinen beruflichen Erfahrungsschatz nutzen. Interdisziplinarität ist für ihn kein Fremdwort. Kenntnisse im Retail- und Kommerzgeschäft vermittelte ihm die damalige SBG (heute UBS).

Know-how im Bereich der sehr vermögenden Kunden und bei komplexen Finanzierungen sowie Auslanderfahrungen sammelte er bei der Credit Suisse. Sonderwissen eignete er sich in den Sparten Ship Finance, Export- und Flugzeugfinanzierungen an. Bei der CS gehörte er bald der Geschäftsleitung des Schweizer Firmenkundengeschäfts an und leitete stellvertretend den Bereich Corporate & Institutional Clients.

Zuletzt verantwortete der Bürger von Gelterkinden und Vater zweier Kinder den Bereich Corporate & Specialty Lending mit 250 Mitarbeitenden, welcher sich um das internationale Firmenkundengeschäft und das Geschäft mit sehr vermögenden Unternehmenskunden kümmerte. Seit dem 1. Januar 2017 hat er den Spitzenposten der BLKB inne.