Zwölfter Jubiläumsbeitrag von Felix Erbacher erschienen in der Basler Zeitung vom 10. Dezember 2018: «Der Kunde will überzeugt und gepflegt werden»

Der Präsident der Basler Bankenvereinigung lobt den Finanzplatz Basel und mahnt vor steigenden Regulierungen

BaZ: Herr Knöpfel, wenn Sie mit Bankern über Banken diskutieren, was ist Ihr Lieblingsthema?

Stefan Knöpfel: «Lieblingsthema» ist vielleicht das falsche Wort. Eher das «Sorgenthema»: Regulierungen. Weil diese uns allen schmerzhaft auf dem Magen liegen. Was früher zu wenig, wird heute zu viel reguliert. Wir müssen heute einen unheimlichen Aufwand betreiben, um das Bankengeschäft abzuwickeln. Dazu kommt, dass wir mit Amazon, Google und Co. engagierte Konkurrenz im Bereich der Finanzdienstleistungen bekommen könnten. Denn diese müssten nicht unter den gleichen gesetzlichen Bedingungen arbeiten.

… zum Beispiel?

Das Finanzdienstleistungsgesetz. Das ist ein sehr umfangreiches Regelwerk, welches das Kundengeschäft und die Beziehungen zu den Kunden regelt. Hier wird der Bürger bis zu einem bestimmten Grad entmündigt, aber auch geschützt.

… inwiefern?

Wir müssen die Risikofähigkeit und -willigkeit sowie die Finanzmarktkenntnisse des Kunden detailliert abklären und vor allem dokumentieren. Je nach Profil darf er dann in gewisse Anlagen und Produkte investieren oder eben nicht. Der Kunde kann dies zwar umgehen, wenn er schriftlich versichert, aus eigenem Antrieb ein Produkt kaufen oder eine spezifische Anlage tätigen zu wollen. Das macht das Geschäften schwerfällig. Ich stelle infrage, ob solche Abläufe vertrauensbildend sind.

Und die Regulierungen verursachen Kosten …

Ja, sicher. Und diese werden in der einen oder anderen Form auf den Kunden überwälzt. Alles andere ist Augenwischerei.

Wie geht es den Banken auf dem Platz Basel?

Insgesamt gut. Wir befinden uns in einem der stärksten Wirtschaftsräume der Schweiz, welcher erst noch überdurchschnittlich wächst. Das Dreiländereck eröffnet zusätzliche grenzüberschreitende Geschäfts-möglichkeiten. Beim Banking ist Swissness weiterhin gefragt und zeichnet sich nach wie vor durch Diskretion, Know-how und Verlässlichkeit aus.

Aber im benachbarten Ausland gibt es immer noch Einschränkungen?

Je nach Lizenz, über welche die Bank verfügt, sind diese beiden Märkte mehr oder weniger frei zugänglich. Ohne entsprechenden Nachweis dürfen wir keine Kunden aktiv anwerben. Potenzielle Kunden aus Deutschland oder Frankreich müssen auf uns zukommen.

Welche Stellung nimmt der Bankenplatz Basel auf dem Finanzplatz Schweiz ein?

Nach Zürich und Genf ist Basel weiterhin die drittstärkste Kraft auf dem Finanzplatz.

Wie war die Entwicklung in den letzten Jahren?

Insgesamt stabil, und dies trotz grossen Auflagen und Regulierungen. Der Personalbestand hat sich während der letzten zehn Jahre allerdings um acht Prozent auf etwas über 6100 Personen verringert. Die Gründe liegen in der Zentralisierung der Infrastruktur, der Verkleinerung der Backoffices und der Digitalisierung. Die Frontorganisationen wurden tendenziell ausgebaut. Das Geschäftsvolumen ist konstant geblieben oder hat sogar leicht zugenommen.

Hat sich die Struktur verändert?

Ein gewisser Konsolidierungsprozess ist in Gang gekommen. Banken haben sich zusammengeschlossen oder wurden übernommen. Die Filialnetze wurden gestrafft und zum Teil neu konzipiert. Die Zahl der unabhängigen Vermögensverwalter hat hingegen zugenommen.

Welches Problem beschäftigt die Basler Banken am meisten?

Neben der Überregulierung sicher das negative Zinsumfeld. Es fordert sowohl die Banken als auch die Sparer und Pensionskassen heraus. Die tiefen Zinsen mit entsprechend tiefen Erträgen auf den Anlagen der Kunden bereiten allen Renditesorgen. Und sie setzen falsche Anreize, die schädlich sind.

Wie kommen die Basler Banken mit der Digitalisierung zurecht?

Unterschiedlich. Insbesondere im Retail-Bereich hat die Digitalisierung einen starken Einfluss. Man muss aber unterscheiden zwischen der Digitalisierung gegenüber dem Kunden und innerhalb der Bank. Bei allen Banken wurden in den letzten Jahren massive Prozessautomatisierungen sowie Datendigitalisierungen vorgenommen. Zum Beispiel sind sämtliche Kundendaten vom Papier ins System gewandert. Nichtsdestotrotz geniesst die persönliche Betreuung auch weiterhin einen sehr grossen Stellenwert, denn Banking ist und bleibt ein People Business. Das wird auch die Digitalisierung nicht ändern.

Sind die Möglichkeiten ausgeschöpft?

Noch lange nicht, die Entwicklung geht weiter. In der Verarbeitung kann noch einiges in Sachen Automatisation und Digitalisierung unternommen werden.

Worin sehen Sie die Hauptaufgabe als Präsident der Basler Bankenvereinigung?

Die Vereinigung ist eine Institution zur Kontaktpflege und zum Austausch untereinander, mit der Politik sowie mit den Wirtschaftsverbänden wie der Handelskammer beider Basel und mit den Gewerbeverbänden. Zusätzlich dient sie zur Abstimmung bei verschiedenen Themen wie Ausbildung, Öffnungszeiten, Ferientage und so weiter. Als Präsident oder Primus inter pares obliegt es mir, zusammen mit dem Vorstand und dem Geschäftsführer diese Tätigkeiten zu koordinieren und zu steuern. Unser diesjähriges 100-Jahr-Jubiläum zeigt, dass eine solche Vereinigung auch in der heutigen Zeit für die Mitglieder von Nutzen ist.

Früher hatten die Platzhirsche den Finanzplatz in ihren Händen…

Sie denken an die lokalen Kartelle. Es stimmt, dass sich die Banken untereinander auf gleiche Preise und Konditionen einigten, zum Beispiel was die Courtagen oder Zinsen betraf. Dies ist jedoch bereits seit Jahrzehnten Vergangenheit.

… und täglich sollen die führenden Börsenchefs während ihres Morgenkaffees die Preise etwa für den Roche-Genussschein bestimmt haben …

… das wäre in der Tat heute nicht mehr denkbar. Und dennoch unterscheiden sich die Preise heute aufgrund der Preisbildung durch Angebot und Nachfrage nicht gross. Betriebe eine Bank Dumping, dann gäbe es sie bald nicht mehr. Die Konkurrenz kommt mehr von aussen.

Inwiefern?

IT-Firmen, die Googles oder Amazons dieser Welt, können heute in Teilbereichen alternative und disruptive Finanzdienstleistungen anbieten. Zum Beispiel im Zahlungsverkehr oder im Kreditwesen. Sie sind aber nicht derart reguliert wie wir. Das müssen wir im Auge behalten. Die Spiesse müssen für alle Akteure gleich lang bleiben.

Wie steht es um das Verhältnis unter den Banken?

Der Wettbewerb spielt selbstverständlich. Jeder Kunde will überzeugt, gewonnen und gepflegt werden. Wir konkurrenzieren uns jedoch auf einer fairen Ebene. Jedenfalls beneiden uns zuweilen die Zürcher Kollegen um unser gutes Verhältnis untereinander.

Was tun Sie, um näher an die kritischer gewordenen Kunden heranzukommen?

Die Losungsworte heissen Transparenz und Vertrauen. So wie es verschiedene Kundenbedürfnisse gibt, gibt es auch verschiedene Banklösungen. Je nach Kundentyp sind die Mittel unterschiedlich: grossangelegte Werbung für Bekanntheitsgrad und Produkte, Online-Werbung, Kundenanlässe, Fachvorträge, individuelle Briefwerbung. Das Feld der eingesetzten Mittel ist mannigfaltig. Und was die Amazons und Apples dieser Welt nicht bieten können: Diskretion und Vertrauen in uns.

Die Reputation der Banken ist immer noch angeschlagen …?

Diese hat sich seit der Finanzkrise wieder stark verbessert und das Vertrauen in die Banken ist mehrheitlich zurückgekehrt. Dennoch müssen wir uns weiter anstrengen, um unseren Ruf nachhaltig zu stärken.

Welche Rolle spielen Social Media, Twitter, Facebook, Instagram für die Banken?

Diese Medien werden, wenn überhaupt, nur verhalten und sehr eingeschränkt genutzt, weil sie grenzüberschreitend und unter verschiedenen Regulationen sowie Rechtssystemen verbreitet sind und somit möglicherweise zu Verletzungen von lokalem Recht und lokalen Regeln führen.

Wie stehen Sie zu den Kryptowährungen Bitcoin, Etherum und so weiter?

Persönlich brauche ich diese Währungen nicht und stehe ihnen aufgrund ihrer äusserst hohen Volatilität, einer unzureichenden Sicherheit und der begrenzten Einsatzfähigkeit kritisch gegenüber. Ich glaube, dass wir mit den liquiden und regulierten Währungen, wie Franken, Euro, Dollar und anderen, keine zusätzliche Parallelwährung brauchen. Ich kann mir aber vorstellen, dass in Ländern, welche nicht über stabile Währungen verfügen, eine Kryptowährung durchaus eine Alternative darstellen kann.

Wie schätzen Sie die Zukunft der Blockchain-Technologie ein?

Die Blockchain-Technologie wird kommen. Die Entwicklung befindet sich am Anfang. Sie kann die Geschäftsabwicklung revolutionieren. Wir gehen davon aus, dass deren Nutzung ähnlich wirkt wie die Digitalisierung, nur eine Stufe höher.

Gegenüber den Grossen haben die Kleinen den Nachteil einer hohen Cost-Income-Ratio (Aufwand-Ertrag-Verhältnis). Können sie langfristig überleben?

Die Cost-Income-Ratio steht nicht in direktem Zusammenhang mit der Grösse einer Bank, sondern mit dem Geschäftsfeld. Sofern sich die Bank fokussiert, zum Beispiel auf die Vermögensverwaltung oder das Retailgeschäft, stehen die Chancen nicht schlecht. Auch Regionalbanken haben ihre Daseinsberechtigung.

Aber die Basiskosten sind für die Kleinen hoch …?

Die müssen ja nicht alles selber machen. Sie können Analysen einkaufen, die IT und den Handel auslagern, sogar die Back Offices. Quasi alles, was nicht den direkten Kundenkontakt betrifft. Aber natürlich: All dies ist kein Garant für den Erfolg.

Haben Sie ein positives Beispiel?

Die externen Vermögensverwalter mit vier bis fünf Angestellten funktionieren wunderbar.

Wie entwickelt sich die Bankenstruktur auf dem Platz Basel?

Die Bankenvielfalt bleibt uns erhalten. Fast alle grösseren Institute sind in Basel vertreten, wenn zum Teil auch nur mit der Kundenfront. Ganz grosse Banken kreieren wiederum Platz für kleine, sehr spezialisierte Institute. Neue Geschäftsfelder wie die erwähnten externen Vermögensverwalter können entstehen. Vielleicht kommt mit den Bankbrokern ein neues dazu.

Wie steht es um den Nachwuchs auf dem Bankenplatz Basel?

Der Arbeitsmarkt ist ausgetrocknet. Deshalb unternimmt die Basler Bankenvereinigung grosse Anstrengungen in der Basis- und höheren Ausbildung. Wir haben eine Grundbildungskommission und eine Personalkommission. Wir tauschen uns regelmässig mit dem KV, den Fachhochschulen und der Universität aus. Uns fehlen vorab IT-Spezialisten. Deren Hochburg ist Zürich. Firmen wie Google räumen dort alles ab. Aber die hiesige Fachhochschule hat dies erkannt und entwickelt Ausbildungsideen. Und wir müssen Sorge tragen zum dualen Bildungsweg. Die Lehre mit all ihren anschliessenden Weiterbildungsmöglichkeiten muss gefördert werden.

 

Vom Lehrling zum höchsten Basler Banker
Stefan Knöpfel (58) arbeitet seit 15 Jahren bei der Bank Dreyfus Söhne & Cie AG, Banquiers, und steht seit vier Jahren der Geschäftsleitung vor. Die Basler Bankenvereinigung (BBVg) präsidiert er seit April 2016. Nach der KV-Lehre erwarb er das eidgenössische Bankbeamtendiplom, danach den Executive BBA (Bachelor of Business Administration). Er ist verheiratet und Vater von zwei erwachsenen Kindern. Zu seinen Hobbys gehören Reisen, Lesen, Musikhören und Kochen. F.E.