Banken im Sog der Digitalisierung

Die Digitalisierung verändert die Bankenwelt dramatisch. Das Angebot der Banken bleibt im Kern mehr oder weniger dasselbe, aber es wird anders produziert, verpackt und verkauft. Die Kunden fragen weiterhin nach Krediten, Anlageprodukten, Serviceleistungen, Währungen und sonstiger Beratung, aber sie wollen diese schneller, direkter und individueller abrufen oder konsumieren, wie sie das in anderen Branchen zum Teil bereits gewohnt sind. Das Onlinebanking kennen wir seit einiger Zeit, es wächst stetig. Wir zahlen Rechnungen per E-Banking oder wir tätigen Börsengeschäfte ohne Anlageberater. Uns vertraute Filialen verschwinden oder es wird ihnen eine neue Innenarchitektur übergezogen. Der lieb gewonnene Bankschalter stirbt langsam aus, vielmehr besetzen Geldautomaten und Beratungsdesks den Eingangsbereich der Bank.

Der digitalisierte Zahlungsverkehr ist am weitesten fortgeschritten, namentlich bei der jüngeren Generation. Europa wickelt die Hälfte aller Transaktionen nicht mehr mittels Bargeld ab. Das Wachstum der digitalen Zahlungen überschritt 2015 weltweit zum ersten Mal zehn Prozent und erreichte 2015 stolze 426,3 Milliarden Transaktionen, 100 Milliarden mehr als 2012. Die Möglichkeiten sind längst nicht ausgeschöpft, sowohl quantitativ als auch qualitativ.

In welche Richtung schreitet die Entwicklung voran? Wie gestaltet sich das Bankgeschäft in fünf, zehn oder 20 Jahren? Welche Funktionen und Kompetenzen wird der Bankangestellte dannzumal ausüben? Dazu gibt es dicke Studien, siehe Quellen. Die liefern zwar keine schlüssigen Antworten, dafür alternative Szenarien mit handfesten Trends.

Neue Branchen
Zwei Begriffe geistern durch die Bankenlandschaft und pflügen sie langsam um: Fintech und Regtech. Fintech ist ein Sammelbegriff für technologische Finanzinnovationen, das können Finanzinstrumente oder -dienstleistungen sein. Fintech ist eine neue Branche, deren Unternehmen digitale und technologische Finanzneuigkeiten anbieten. Lösungen für den Versicherungsbereich werden als InsurTech bezeichnet, Lösungen für den Bereich der Vermögensverwaltung als WealthTech und solche für den Bereich des Zahlungsverkehrs als PayTech.

Fintech beschleunigt einmal die zentrale Datenspeicherung. Dabei stehen die in die sogenannten Clouds verlagerten Aktivitäten im Vordergrund. Fintech stellt diese Clouds bereit und übernimmt Teile der Wertschöpfungsketten der Banken und der Versicherungen. Damit konkurrenzieren sich diese gleichzeitig, aber es wird sich daraus eine gegenseitige Abhängigkeit und Kooperation herausschälen. Man muss auch realistisch sein. «In Zukunft wird die ganze Software an zentralen und nicht mehr firmeneigenen Standorten verwaltet, gewartet und entwickelt», mutmasst Herbert Scheidt, Präsident der Schweizerischen Bankiervereinigung. Damit lasse sich die Idee einer Superbank, einer stärkeren Zusammenarbeit der Banken, deutlich günstiger realisieren.

Regtech steht für Innovationen und moderne Technologien im Umfeld der Regulierung, insbesondere bei den Banken- und den Finanzmärkten. Regtech-Firmen suchen nach Massnahmen und Technologien, welche die Compliance und das Risikomanagement unterstützen sowie Prozesse optimieren. Schon heute werden Kundeneröffnungsprozesse für Private und Unternehmen («digitales Onboarding») vollständig automatisiert. Dies senkt die Kosten und ermöglicht, dass Banken die zunehmende Komplexität der regulatorischen Prozesse besser bewältigen können. Wenn regulatorische Vorgaben automatisiert werden, entlastet dies obendrein die Kundenberater und die Compliance-Mitarbeitenden. Regtechist nicht zuletzt ein Produkt des Fintech-Bereichs, steckt in der Schweiz aber noch in den Anfängen, muss sich noch entwickeln und etablieren.

Die Banken mausern sich zu eigentlichen Technologieunternehmen. Damit verbunden sind die erwähnten heiklen Themen Compliance und Cyber Security. Sie rufen Besorgnisse hervor und führen zu heftigen Diskussionen. Zu welchen Resultaten technologisch die künstliche Intelligenz und die Blockchain führen werden, können wir nur erahnen. Die Blockchain wird mit grosser Wahrscheinlichkeit die Verwaltung der Daten und die Transaktionsprozesse erleichtern. Das Thema «Big Data» dringt immer tiefer in das Bewusstsein der Finanzinstitute ein. Der Chief Data Officer avanciert zur Schlüsselfigur in den Führungsgremien.

Eine ganz besondere Herausforderung bedeutet die Cyber Security. Wenn es der Schweiz gelingt, in diesem Sektor einen Schwerpunkt zu setzen, dann kommt zu den traditionellen Standortvorteilen wie politische, regulatorische und wirtschaftliche Stabilität ein weiterer hinzu, der die Wettbewerbsfähigkeit der Banken stützen würde.

Schrumpfprozess?
Der schweizerische Finanzplatz wird sich also einschneidend verändern. Uneinig sind sich die Fachleute allerdings darüber, ob er schrumpfen wird. Philipp Hildebrand, der frühere Präsident der Schweizerischen Nationalbank (SNB), glaubt dies nicht. Er verweist auf das schweizerische Bankgeheimnis, dessen Aufweichung auch keinen drastischen Rückgang zur Folge gehabt habe. Ob er hier nicht politische Birnen mit technologischen Äpfeln vergleicht?

Immerhin ist seit 2000 ein Fünftel aller Schweizer Bankfilialen verschwunden. In 348 Gemeinden findet sich keine Filiale mehr. Dies hat die Handelszeitung für die Jahre 2001 bis 2017 ermittelt. Ökonomen sehen die Entwicklung unproblematisch. «Das Filialsterben ist Ausdruck des technischen Fortschritts», urteilt Christoph A. Schaltegger, Professor an der Universität Luzern, «und des funktionierenden Wettbewerbs.» Banken könnten heute nicht mehr mit Standarddiensten punkten. «Das dichte Filialnetz hat nicht mehr denselben Nutzen für den Kunden wie früher.»

Man darf aber davon ausgehen, dass die Kunden auch in Zukunft die Nähe zu ihrer Bank suchen. Sie schätzen die zwischenmenschlichen Beziehungen und suchen Sicherheit.

Von der vollständigen Elektronisierung des Bankengeschäfts sind wir noch ein Stück weit entfernt. Aber der Prozess scheitet voran. Die Credit Suisse strebt als langfristiges Ziel das papierlose Büro an. In einem ersten Schritt sollen rund 200 Arbeitsprozesse von Anfang bis zum Ende digitalisiert werden, von der Kontaktaufnahme des Kunden über die Beratungsdienstleistung bis zur Verarbeitung im Backoffice. Damit verschwindet viel Handarbeit. Ende dieses Jahres soll die Zwischenetappe beendet sein.

Obwohl die Banken für die Digitalisierung besonders geeignet sind, weil ihr Geschäft fast gänzlich auf Zahlen basiert, müssen sie noch viele harte Nüsse knacken, weil Dienstleistungen äusserst komplex sein können. Das Handy-Banking hat sich noch nicht durchgesetzt, die E-Hypothek ist erst im Kommen. Die Digitalisierung der Banken wird wahrscheinlich alle Bereiche der Branche erfassen. Wir stehen vor einer spannenden Branchenzukunft.

Nase vorn
Wer bei der Digitalisierung die Nase vorn hat, der besteht den Konkurrenzkampf im internationalen Bankgeschäft. Das schweizerische Erfolgsrezept der Vergangenheit ist das Erfolgsrezept der Zukunft. Fokussierung, Innovation, globale Ausrichtung, gute Rahmenbedingungen. Und ganz wichtig: hervorragende Mitarbeitende. Sie müssen permanent auf dem neusten technologischen Stand geschult werden. Die Digitalisierung der Finanzbranche verändert das Anforderungsprofil der Bankangestellten massiv. Davon wird im nächsten Beitrag die Rede sein.

Quellen: Krisenfeste Schweizer Banken, Die Regulierung von Eigenmitteln, Liquidität und «Too big to fail», NZZ Libro 2018, 763 Seiten; Zukunft Bankfachspezialisten 2030, ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, 2017, 142 Seiten

Zweiter Jubiläumsbeitrag von Felix Erbacher erschienen in der Basler Zeitung vom 12. Februar 2018.

Basler Bankiers legten die finanzielle Basis für die Industrialisierung der Schweiz

Basel war einst der wichtigste und internationalste Finanzplatz der Schweiz. Schon im 13. Jahrhundert finanzierte Cosimo de Medici, ein Abkömmling der italienischen Gelddynastie, auf einer Geschäftsstelle den internationalen Handel von Basel aus. Später zog das Konzil von 1431 bis 1449 zahlreiche Bankleute ans Rheinknie, die Stadt avancierte zum wichtigsten Geldwechsel-Zentrum der Schweiz. Anfang des 16. Jahrhundert wurde der Geldwechsel verstaatlicht. Diese amtlichen Wechselstuben wechselten Geld, setzten neues Geld in Umlauf, vergaben Darlehen und Kredite, tätigten Überweisungen und verwalteten Vermögen. Der Basler Stadtwechsel vermittelte als einziges Schweizer Emissionsinstitut öffentliche Anleihen, und Basel wurde als Finanzplatz noch bedeutender. In der Mitte des 18. Jahrhunderts wurden die amtlichen Wechselstuben (Basler Stadtwechsel) aufgegeben. Die zahlreichen Waren-Handlungen machten zunehmend auch Geldgeschäfte.
Daraus entstanden wiederum die ersten Banken. Die erste ist mit dem Namen Benedict La Roche verbunden. 1787 gründet er eine Handels- und Speditionsgesellschaft, die Handlung La Roche. Vorerst stehen Transport- und Kommissionsgeschäfte sowie Spekulationen im Vordergrund. Er vergibt auch Kredite. Das Bankgeschäft sollte erst später die drei anderen Bereiche der Handlung verdrängen.

Bahn kommt ins Rollen
Erst mit der fortschreitenden Industrialisierung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wächst die Bedeutung des Bankengeschäftes so richtig. Der Geldbedarf der Wirtschaft nimmt zu; die Unternehmer beschaffen sich die Mittel mit der Ausgabe von festverzinslichen Anleihen. In den 20er-Jahren des 19. Jahrhunderts stieg zum Beispiel die Bank La Roche in dieses lukrative Anleihegeschäft ein, was einen bedeutenden Schritt von der “Handlung” (Kommission), Spedition im Zusammenhang mit dem florierenden Seidengeschäftes zum Bankinstitut bedeutete.
Mit anderen Banken gründet La Roche sogar eine Schifffahrtsgesellschaft mit zwei Dampfschiffen, die von Basel nach Mainz verkehrten. Nach vier Jahren scheitert das Projekt, die Konkurrenz Bahn war stärker.
Aber der Bahnbau inspirierte natürlich die Banken. Auch hier war La Roche wegweisend. Benedikt La Roche präsidierte die Union Suisse, die den Bau der Strecke Zürich-Basel finanzierte. Letztlich kam nur die Strecke Zürich-Baden, die «Spanischbrötlibahn», zustande. Immerhin wurden 140’000 Zentner Schienen von England in die Schweiz transportiert.
Basel geniesst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts einen ausgezeichneten Ruf als Kapitalmarkt, was sich in einer wahren Flut von Emissionsbegehren zeigt. Der Bankenplatz engagiert sich intensiv am Bau der Gotthardbahn mit rund zehn Millionen Franken mit Aktien und Obligationen. Karl R. Stehlin-Merian war nicht nur der erste Präsident des Bankvereins, sondern auch Mitglied des Verwaltungsrates der Centralbahn, Vizepräsident der Gotthardbahn und Mitglied des Börsenvereins ab 1976. So wurde zum Beispiel auch die Wiesentalbahn teils direkt, teils indirekt durch öffentliche Zeichnungen von Aktien und Obligationen ermöglicht. Dies alles förderte die Gründung der Basler Börse im Jahr 1876.
Basler Banken und Bankiers finanzierten auch Kraftwerke und standen der Chemie, auch in Notlagen bei. So der Bankier Rudolf Albert Koechlin mit seiner Basler Handelsbank (BHB). Als Schwager von Fritz Hoffmann rettete er die F. Hoffmann-La Roche & Co. vor dem Konkurs. Koechlin hatte wie andere Basler Banquiers ein Gespür für die industriellen Möglichkeiten der damaligen Aufbruchzeit, insbesondere für das Potenzial der Elektrizität im Städtebau und im Transportsektor. Dabei verknüpften sie geschickt Kapital und Technik. Die dazu notwendigen Vehikel waren Trustgesellschaften, so die Transportbank, Indelec und Industriebank.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts ist der hiesige Finanzplatz immer noch der bedeutendste schweizweit. Neue Institute wie die Basler Kantonalbank entfalten sich (1899). In- und ausländische Bankinstitute sowie Finanzierungsgesellschaften richten am Rheinknie Niederlassungen ein.
Der Basler Bankverein weitet seine Geschäftstätigkeiten aus, fusioniert mit dem Zürcher Bankverein und der St. Galler Unionbank und mutiert schliesslich zum Schweizerischen Bankverein (1897). Diese Gründerwelle dauerte bis ins erste Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts.
Der Erste und Zweite Weltkrieg waren für die Schweizer Banken kein Zuckerschlecken. Die Absatzmöglichkeiten der Industrie im Ausland gehen massiv zurück, die Erholung nach den Kriegen dauert. Entsprechend verringern sich die Aktivitäten im Kredit-, Finanzierungs- und Anlagegeschäft. Die Banken rücken enger zusammen. Die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) wird 1912, die Basler Bankenvereinigung (BBVg) 1918 gegründet (Siehe auch BaZ vom 29. Januar 2018, Seite 7). Trotz diesen Krisenjahren erreichte der Schweizerische Bankverein (SBV) 1918 erstmals eine Bilanzsumme von über einer Milliarde Franken.

Basler Börse schliesst
Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebt die Schweiz prosperierende Phasen. Die Banken profitieren üppig davon, auch die hiesigen. Aber andere Finanzplätze laufen Basel langsam den Rang ab. Vorab Zürich und Genf, auch Lugano mausert sich nach oben. 1996 werden am Aeschenplatz die vier Ringe der Basler Börse geschlossen, eine 120-jährige Aura geht zu Ende. Der Fortschritt der modernen Kommunikationstechnologie forderte ihren Tribut. Die modernste Informationstechnik hielt Einzug – und die Elektronische Börse Schweiz (EBS) bezog nun mal ihren Sitz in der schweizerischen Finanzhauptstadt Zürich.
1998 später schliessen sich der Schweizerische Bankverein (SBV) und die Schweizerische Bankgesellschaft (SBG) zur UBS zusammen. Tausende von Arbeitsplätzen gehen in Basel verloren oder wandern nach Zürich ab.
Der hiesige Finanzplatz musste sich mit einer bescheideneren, dafür umso feineren Rolle abfinden. Serviceleistungen für das breite Publikum sowie Industrie und Gewerbe, insbesondere aber das Vermögensverwaltungsgeschäft stehen fortan im Vordergrund. Dem Image nützt, dass die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) ihren Hauptsitz in Basel hat und mit ihrem Turmgebäude das Stadtbild prägt. Sie fasst Beschlüsse, die den Namen Basel tragen und ihn in die Finanzwelt hinaus transportieren.

Spitzenfunktionen für Basler
Der Finanzplatz übte seinen Einfluss von Basel oder über seine Repräsentanten in den wichtigsten Standesorganisationen aus. Der Verband der Schweizerischen Kantonalbanken hat seit 1907, die Schweizerische Bankiervereinigung seit 1912 ihren Sitz in Basel. Während vielen Jahren präsidierten die Sarasin-Bankiers Alfred Sarasin-Iselin, Alfred E. Sarasin und Georg Krayer die Vereinigung. Christoph Gloor stand der Vereinigung Schweizerischer Privatbanken bis April 2015 vor. Basler Bankiers prägten als Verwaltungsräte darüber hinaus die Strategien namhafter Industrieunternehmen. Alfred E. Sarasin (Hero, Basler Handelsgesellschaft und deren Tochter UTC, Schweizerische Reederei- und Neptun AG (SRN), Motor Columbus, Pirelli). Walter Frehner sorgte in seiner Eigenschaft als erster Mann des Bankvereins in den 1980er-Jahren mit dafür, dass die schweizerische Uhrenindustrie überlebte.

Aufwind durch Pharma
Der Finanzplatz wusste seine Bedeutung wieder zu vergrössern. Heute kann er sich wieder sehen lassen. Die Pharma- und Medtech-Sektoren florieren und generieren Einkommen und Vermögen, die angelegt sein wollen. Gerade nach der Finanzkrise ab 2007 suchen die Kunden die Nähe zu ihren Instituten. Dies führte zu einer respektablen Dynamisierung in der Nordwestschweiz. Die St. Galler Bank Wegelin, die heutige Notenstein La Roche, richtete 2006 in Basel eine Filiale ein. Clariden Leu versuchte sich ab 2008 in Basel, (ging dann aber 2011 voll in der Credit Suisse auf). Dann finden Genfer Privatbanquiers gefallen am Dreiländereck, zuerst 2008 Mirabaud mit der Übernahme der Banque Jenni & Cie, ein Jahr später Pictet mit einer Niederlassung. Die Zürcher Privatmann Vontobel zieht es 2010 in die Rheinstadt. Schliesslich eröffnet auch die Regionalbankengruppe Valiant im gleichen Jahr eine Niederlassung in Basel.
Heute gehören 27 Institute der Basler Bankenvereinigung an. Die Struktur des Platzes Basel ist stabil, wenn auch die kleineren Häuser viel Aufwand für die Erfüllung der zunehmenden Vorschriften seitens der Politik und der Aufsichtsbehörden erfüllen müssen. Die eine oder andere Veränderung auf dem hiesigen Bankenplatz ist deshalb denkbar.

Erster Jubiläumsbeitrag von Felix Erbacher erschienen in der Basler Zeitung vom 29. Januar 2018.

Die Basler Bankenvereinigung ist vor 100 Jahren gegründet worden. 1918, das letzte Jahr des Ersten Weltkrieges, war schrecklich, sowohl politisch als auch wirtschaftlich. Die Schweiz stand am Rande eines Bürgerkrieges. Bourgeoisie und Arbeiterschaft standen sich gegenüber. Die Folgen des Weltkrieges: Die Preise stiegen ins Unerträgliche, die Lebensmittel wurden knapp. Die Zahl der Notstandsberechtigten betrug fast 700’000 Personen, bei einer Gesamtbevölkerung von 3,8 Millionen. Brot, Fett, Käse und Milch wurden nacheinander rationiert. «Alles wird beständig teurer. Aber schlimmer als alle tatsächliche Teuerung wirkt jene rücksichtslose industrielle Gewinnsucht», schrieb die Neue Zürcher Zeitung, wahrlich kein Blatt der Linken, am 28. April 1918.

Soziales Tauziehen
So kam es schweizweit zu massiven Protestaktionen. Ende Oktober streikten ausgerechnet die Zürcher Bankangestellten während zwei Tagen. Dies war ein deutliches Fanal für die Bürgerlichen. Vom 11. bis 14. November kam es schliesslich zum Generalstreik. 250’000 Arbeiter und Gewerkschafter beteiligten sich daran. Auch in Basel wurde gestreikt. Immerhin sorgten Regierung und Streikführung zusammen für einen geordneten Ablauf des Aufstandes. Diese gewaltige Manifestation gehört zu den einschneidendsten sozialen Tauziehen in der Schweizer Geschichte. Natürlich lähmte sie die Wirtschaft.

789 Tote in Basel
Als wäre diese wirtschaftliche Not und politische Krise nicht schon genug gewesen, tobte 1918 und 1919 weltweit eine Grippewelle, die schätzungsweise 20 bis 25 Millionen Todesopfer forderte. Die Schweiz blieb nicht verschont. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung erkrankte und allein 1918 starben 25’000 Personen. Hans Bauer, Verfasser von «100 Jahre Basler Wirtschaftsgeschichte» hält fest, dass zwischen dem 30. Juni 1918 und dem 5. April 1919 insgesamt 789 Todesfälle registriert wurden.

Ging es der Wirtschaft und den Banken im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts noch ausgezeichnet, änderte sich dies drastisch. Zahlreiche Banken gingen in Konkurs oder mussten liquidiert werden. Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges wirkte sich erst recht katastrophal aus. Die Gläubiger der Banken reagierten mit Panik auf die Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien und stürmten die Bankschalter. Die Schweizerische Nationalbank griff ein und verhinderte ein noch grösseres Bankensterben. Dann aber überstand nach anfänglicher Krise das schweizerische Bankensystem den Ersten Weltkrieg und auch die ersten Jahre danach.

In der heiklen Phase der ersten 1910er-Jahre wurde 1912 die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) gegründet. Erst im Katastrophenjahr 1918 befanden es die Basler Bankiers für angebracht, eine lokale Branchenvertretung, die Basler Bankenvereinigung (BBVg), auf die Beine zu stellen. Sie dürfte in den folgenden Jahren denn auch einiges zu tun gehabt haben; die Depression der 1920er- und der 1930er-Jahre führte zu grossen Abschreibern und Verlusten.

Bankiers sitzen zusammen
Letztlich lassen sich weder die spezifischen Umstände und Motive noch die Väter der Gründung eruieren. Die einschlägigen Archive liefern keine Hinweise. Immerhin dürften Persönlichkeiten wie Rudolf Albert Koechlin-Hoffmann, Präsident der Basler Handelsbank (sie war damals eine der bedeutendsten Schweizer Banken, oder Alphons Simonius-Blumer (Präsident des Schweizerischen Bankvereins von 1906-1920) eine gewichtige Rolle gespielt haben, wie auch Robert Friedrich La Roche-Ryhiner und Fritz La Roche-Merian, beide Teilhaber der La Roche & Co. Mit im Boot dürfte auch Alfred Sarasin-Iselin, Mitbegründer der Schweizerischen Nationalbank, gewesen sein. Zu den Privatbankiers mit Namen gehörte damals auch Jules Dreyfus, der während 40 Jahren die Geschicke der Dreyfus Söhne & Cie. leitete. Die Privatbankiers waren zur Gründungszeit der BBVg nicht nur zahlreich, sondern entsprechend auch einflussreich.

Auch ist nicht verbrieft, wer zu den Gründerbanken gehörte. Aktiv auf dem Platz Basel waren damals schon der Schweizerische Bankverein (SBV), die Schweizerische Volksbank (SVB), die Basler Kantonalbank (BKB), die Eisenbahnerbank, die Privatbanken Sarasin, La Roche, Dreyfus, Ehinger, Gutzwiller, das Comptoir d’escompte de Bâle, Cial, die Handwerkerbank und die zinstragende Ersparniskasse. Weil die damalige Schweizerische Kreditanstalt (SKA) 1906 in Basel ihre erste Filiale ausserhalb von Basel Zürich eröffnete, war sie mit grosser Wahrscheinlichkeit auch Gründungsmitglied der BBVg.

Was also damals in den ersten Statuten stand, darüber kann heute nur gemutmasst werden. Man darf davon ausgehen, dass es vornehmlich um organisatorische Belange wie die Findung der Organe ging. Die Basler Banken hatten wohl prioritär regionale Interessen, weil, sie national ja von der SBVg vertreten wurden und dort auch ihre Vertreter hatten.

Wie aus späteren Protokollen und Briefwechseln hervorgeht, koordinierten die Basler Banken in den 1930er-Jahren vorab die Arbeitszeiten und Ferien sowie die Dienst- und Besoldungsmodelle. Diskutiert wurde beispielsweise, ob die Bankschalter am Samstag schon um 12 Uhr geschlossen werden sollen. Die Senkung der Arbeitszeiten bildete stets ein Thema.

Minimallohn 200 Franken
Während der Wirtschaftskrise wurde etwa ein Lohnabbau zwischen drei und acht Prozent je nach Gehaltshöhe beschlossen. Das Jahreseinkommen lag damals zwischen 2700 und 10’000 Franken je nach Qualifikation und Funktion. Der Minimallohn betrug 200 Franken für kaufm. Angestellte. Für die Frauen freilich lag das Lohnbudget tiefer. Zwölf Werktage Ferien wurden gewährt. Die BBVg diskutierte regelmässig die Schrankfächertarife.

Festzuhalten ist aber auch, dass die BBVg 1937 einen Beitrag an die Finanzierung des neuen «Vereins- und Schulgebäudes» des Kaufmännischen Vereins (KV) Basel leistete. Über dessen Höhe findet sich jedoch im Archiv kein Vermerk. Der Bau kostet damals 1,66 Millionen Franken.

Vor dem Zweiten Weltkrieg mussten vorsorgliche Massnahmen über mögliche Evakuationen in den Grenzregionen der Schweiz erörtert werden.

Aber stets füllten in den nachfolgenden Jahrzehnten die Themen Lohnerhöhungen, Teuerungszulagen, Arbeitszeiten, Gebührenordnungen, Wertschriften- oder Tresorgebühren die Protokolle und Korrespondenz der BBVg. 1964 mussten auch die Banken die Fünftagewoche bei einer Wochenarbeitszeit von 44 Stunden einführen.

«Lange Zeit war die BBVg ein Zweckverband für den Fall, dass die Banken gemeinsame Interessen wahrnehmen mussten. Das hat sich mittlerweile reduziert auf weitgehend administrative Dinge wie die Besprechung von Schalteröffnungszeiten, Kontokorrentzinsen, etc.», sagte der damalige BBVg-Präsident Georg Schnell 1993 anlässlich des 75. Geburtsjahres der BBVg der Basler Zeitung.

Studie weckt auf
Das änderte sich aber 1988 schlagartig, als eine Studie den Rückstand des Finanzplatzes Basels auf Zürich schwarz auf weiss belegte. Die BBVg erkannte einen Handlungsnotstand und entschloss sich zu einer Neuorientierung. Sie änderte ihre Strukturen, richtete ein ständiges Sekretariat ein und rief verschiedene Projektgruppen «Steuern», «Bankfachkurse» oder «Wirtschaftsförderung» ins Leben. Es ging vor allem um die Koordination jener Bereiche, die schweizweit nicht miteinander abgesprochen waren. Die grundlegende Politik der BBVg vor einem Vierteljahrhundert lag darin, die Entwicklung des Finanzplatzes zu fördern, indem Werbung ausserhalb von Basel für Basel als Wirtschaftsstandort gemacht werden sollte. Innerhalb von Basel setzte sich die BBVg für möglichst gute Wirtschaftsbedingungen ein, meinte Georg Schnell damals.

Werbung betreibt die Basler Bankenvereinigung heute nicht mehr. Aber sie wahrt und vertritt die Interessen ihrer Mitgliedsinstitute und vermittelt der Öffentlichkeit, den bestehenden und zukünftigen Bankkunden, aber auch den Mitarbeitenden ihrer Mitgliedinstitute sowie jungen Menschen, die in die Finanzwirtschaft eintreten möchten, transparente Informationen. Die Basler Bankenvereinigung hat sich permanent der Zeit angepasst.

Für die Basler Bankenvereinigung ist 2018 ein ganz besonderes Jahr.

Für die Basler Bankenvereinigung ist 2018 ein ganz besonderes Jahr: unsere Vereinigung wurde im Jahr 1918 gegründet und darf 2018 ihr hundertjähriges Bestehen feiern. Diesen runden Geburtstag möchten wir gemeinsam mit unseren Mitgliedern, deren Mitarbeitenden sowie Kunden feiern. Einen ersten Schritt haben wir bereits mit dem Jahreswechsel gemacht: Die Basler Bankenvereinigung tritt ab sofort mit einem neuen Logo und einem neuen Corporate Design auf.

100 Jahre sind ein stolzes Alter und sollten entsprechend gewürdigt werden. Ein moderner Auftritt alleine genügt dazu nicht. So möchten wir das Jahr 2018 mit folgenden Jubiläumsaktivitäten begleiten:Im laufenden Jahr werden wir in der Basler Zeitung jeden Monat mit einem Gastbeitrag den Wandel im Banking aufzeigen. Vorbei sind die Zeiten, in denen Schweizer oder auch Basler Banken mit kriminellen Machenschaften und Schwarzgeld in Verbindung gebracht wurden. Der freie Journalist Felix Erbacher erklärt den Bankkunden, was dieser Wandel bedeutet, wie es dazu kam und warum er notwendig war.

Dass Bankangestellte nicht nur mit Zahlen umgehen, sondern auch anpacken können, zeigen 13 unserer Mitgliedsbanken dieses Jahr bei den sogenannten Volunteering Days, bei denen sie der Gesellschaft etwas zurückgeben.

Die rund 4’500 Mitarbeitenden unserer Mitgliedinstitute sind der tragende Pfeiler des Erfolges der Banken. Ihnen gebührt ein grosser Dank für das tagtägliche Wirken zugunsten einer zufriedenen Kundschaft und des Bankenplatzes Basel. Aus diesem Grund laden wir am 20. September 2018 zu einem speziellen und feierlichen Basler Bankenforum ins Volkshaus Basel ein. Mit einem hochkarätigen Podium gehen wir auf den Wandel und die Zukunft in unserer Industrie ein.

Wir werden auf unserer neuen Webseite regelmässig über unsere Jubiläumsaktivitäten informieren und Impressionen zu den einzelnen Aktivitäten zur Verfügung stellen.

Der Finanzsektor ist weiterhin eine wichtige Stütze für die Schweizer Volkswirtschaft.

Der Finanzsektor ist weiterhin eine wichtige Stütze für die Schweizer Volkswirtschaft, wie eine Analyse von Polynomics zeigt. So betrug der Anteil des Finanzsektors an der gesamtschweizerischen Bruttowertschöpfung im Jahr 2016 rund 9,4 Prozent. Das heisst, dass fast jeder zehnte Franken vom Finanzsektor erwirtschaftet wird. 5,6 Prozent aller Beschäftigten arbeiten im Finanzsektor. Daraus lässt sich schliessen, dass die Finanzbranche pro Mitarbeitender fast doppelt so produktiv ist, wie der Durchschnitt. Zudem kommt die Polynomics-Studie zum Schluss, dass der Finanzsektor im Jahr 2016 für rund 14,5 Mrd. Franken Steuereinnahmen verantwortlich ist. Weitere Erkenntnisse zur Bedeutung des Finanzsektors finden sich in der Studie.

Am 31. Oktober 2017 fand im Novotel Basel City die achte Ausgabe der Veranstaltung "Banking-in-Basel" statt.

Die Veranstaltung richtet sich an Studierende und Absolventinnen und Absolventen von Universitäten und Fachhochschulen in der gesamten Schweiz und des nahen Auslands.

Insgesamt nahmen über 90 interessierte Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger an der von der Basler Bankenvereinigung organisierten Karriereveranstaltung der besonderen Art teil. In insgesamt sechs Workshops bearbeiteten sie während eines halben Tages aktuelle und praktische Fragestellungen, wie zum Beispiel «Wie wird eine eine Nachfolgeplanung aufgestellt?» oder «Welche Bedürfnisse hat ein Unternehmen an die Banken ?» So erhielten die Studierenden einen vertieften Einblick in die Banken- und Arbeitswelt.

Die Workshopteilnehmende Jolanda Marti freute sich: «Durch die Mischung aus Präsentation, Gruppenarbeiten und Theorie, bot sich mir ein breites und klares Bild der Tätigkeiten im Banking». Umgekehrt lernten die Banken durch die persönliche Zusammenarbeit wissbegierige junge Nachwuchstalente kennen. Daniela Strohmeier, Leiterin HR Entwicklung, Basellandschaftliche Kantonalbank, erläuterte: «Es ist für uns eine tolle Chance, wenn engagierte Studierende dem Thema Nachhaltigkeit einen hohen Stellenwert schenken.»

Eine Teilnehmerin des Workshops der Bank Cler AG, die früher noch Bank Coop hiess, berichtete: «Es war mir nicht klar, welch grossen Aufwand es bedeutet, eine Marke in der Schweiz neu zu entwickeln und zu positionieren. Es war äusserst spannend und abwechselnd zum Studienalltag, Erfahrungen direkt aus der Praxis vermittelt zu bekommen.»

Die folgenden sechs Banken haben einen Workshop angeboten:

  • Bank Cler AG: Best Practice – Rebranding einer Bank
  • UBS AG: White Labelling im Fondsmanagement
  • Credit Suisse (Schweiz) AG: Corporate Banking
  • Notenstein La Roche Privatbank AG: Wealth Planning
  • Basellandschaftliche Kantonalbank: Nachhaltigkeit im Asset Management
  • Bank CIC (Schweiz) AG: Legal & Compliance